Ein großer Landwirt - Leben und Werk Friedrich Strempfer
Von Prof. Dr. Ulrich Planck, Stuttgart-Hohenheim
Am 14. Juli 2003 ist der Bauer Fritz Strempfer im 97. Lebensjahr gestorben. Sein Name ist vermutlich über seine Heimat im Hohenloher Land hinaus nicht allgemein bekannt. Denn es ging ihm nie darum, sich einen Namen zu machen, sondern immer nur um die Sache. Aber gerade deswegen ist er unter die großen Landwirte in Deutschland einzureihen. Die großen Landwirte sind, wie sie der Hohenheimer Agrarhistoriker Günther Franz beschrieb, „die Männer, die durch ihre Leistung dazu beigetragen haben, das Ernährungsproblem zu lösen, und damit einer sprunghaft angestiegenen Bevölkerung in unserer Zeit Nahrung zu geben. Es sind die Männer, die auch in menschlicher Hinsicht vielfach vorbildlich waren.“ Die beiden Herausgeber des Sammelbandes „Große Landwirte“ (DLG-Verlag 1970).
Günther Franz und Heinz Haushofer bedauerten es selbst, dass in ihrer Reihe großer Landwirte nur ein einziger Bauer enthalten ist, nämlich Jacob Guyer, der philosophische Bauer der Aufklärungszeit. Und sie erklären diesen bedauerlichen Umstand damit, dass eigentlich kein einzelner Bauer so stark hervorgetreten ist, dass er als Repräsentant für seinen Stand und für seine Zeit hätte herausgehoben werden können: Es gäbe nur wenige, in deren bedeutender Persönlichkeit sich gleich wie in einem Brennspiegel Entwicklungslinien auffangen ließen, die sonst kaum so deutlich zu erkennen sein würden. Fritz Strempfer gehört zu diesen wenigen.
1907, dem Jahr, in dem Robert Stock und Karl Gleiche mit dem Bau des ersten Motorpfluges die Motorisierung der Landwirtschaft einleiteten, wurde Fritz Strempfer am 7. April den Bauersleuten Georg Friedrich Strempfer und Rosine Katharine, geb. Reis, in Weckelweiler, einem Teilort der Gemeinde Lendsiedel im Oberamt Gerabronn, geboren. Er wuchs in diesem typisch fränkischen 60-Seelen-Weiler heran, besuchte die zweiklassige Volksschule in Lendsiedel und war nach Sitte und Herkommen dazu bestimmt, den väterlichen 25 ha großen Hof zu übernehmen. Er wurde im pietistischen Geist und im bäuerlichen Arbeitsethos seines Vaters erzogen. Als kleiner Knecht musste er oft bis zur Erschöpfung seiner Kräfte mitarbeiten. „Aber“, wie er später bekannte, „bei der Schinderei habe ich das Durchhaltevermögen gelernt, das letztlich die Voraussetzung für alles später Erreichte war.“
Sein Betätigungsfeld war unter den gegebenen Verhältnissen eng begrenzt, viel zu eng für seine reichen geistigen Gaben und musischen Interessen. Aus der Enge des abgelegenen Weilers führte ihn erstmals der Besuch der landwirtschaftlichen Winterschule in Blaufelden und vor allem die Teilnahme an einem Kurs der Evangelischen Bauernschule in Serach bei Esslingen heraus. Die Bauernschule hat, nach seinen eigenen Worten, seinem Leben Richtung, Ziel und Inhalt gegeben. Im Winterkurs für Burschen 1929 erlebte er ein herzerfrischendes, fröhliches Christentum, das der geistliche Kursleiter Pfarrer Theodor Gerhardt verkörperte, und wurde wie seine Mitschüler hineingenommen in das warmherzige Familienleben der Hauseltern Schaeffer. Unter der Anleitung des Diplomlandwirts Rudolf Schaeffer weitete sich sein Blick erstmals in die Industrielandschaft des mittleren Neckarraumes und in die Probleme der Volkswirtschaft und der Wirtschaftsgeographie.
Über die prägenden Eindrücke, die er auf dieser Bauernschule empfing, die Rudolf Schaeffer zusammen mit Pfarrer Oskar Planck nach dem Vorbild der dänischen Volkshochschulen 1925 gegründet hatte, wissen wir ziemlich gut Bescheid. Denn wegen seiner schriftstellerischen Begabung durfte er in den Bundesblättern des württembergischen Jungbauernbundes „Schwäbische Landjugend“ 1929 die Evangelische Bauernschule Serach aus dem Erleben eines Schülers vorstellen.
Die Lebenskunde anhand von Volksliedern und deutscher Dichtung, der Unterricht in der Form des „lebendigen Wortes“ und die jugendbewegte Freizeitgestaltung sprachen ihn besonders an. Er schrieb darüber unter anderem: „Das neue, aus innerem Erleben kommende und zu innerem Erleben führende Singen und der Volkstanz waren eine überaus feine Sache, so fein und wertvoll, dass wir jede freie Zeit getreulich benützten, um uns im Singen und Tanzen in reiner, edler und wahrer Freude zu erbauen.“ Er hat diese musischen Elemente in seiner späteren Bildungs- und Jugendarbeit mit großem Erfolg selbst eingesetzt.
In seinem Bericht schrieb er aber auch von den in Serach gewonnenen ökologischen Erkenntnissen. Tief beschämend war es für uns, feststellen zu müssen, wie blind und abgestumpft, ohne jegliches Erleben, wir uns in der umgebenden Natur bewegen und wie wenig dankbar wir unserem Schöpfer und Erhalter sind, dass er uns mit einer so überreichen, wundergesättigten Natur umgibt. Von solchen Einsichten war es später nur ein verhältnismäßig kleiner gedanklicher Schritt zum tätigen Umweltschutz und zu nachhaltiger Landbewirtschaftung, also denjenigen Aufgaben, die im Mittelpunkt seines Lebenswerkes standen. Und er lernte in Serach noch ein Weiteres, das ihm zur Richtschnur wurde: „Nichts ist gefährlicher, als sich über wichtige Fragen hinwegzutäuschen und die Wichtigkeit erst dann zu sehen, wenn man nicht mehr die Zeit zum Besinnen hat.“
Außerdem war er ausgesprochen dankbar dafür, in den Redeübungen die Leitung einer Versammlung mit freier Aussprache zu üben und zu lernen, die Gedanken zu ordnen und verständlich vorzutragen. Noch an seinem 95. Geburtstag hat er in einer mitreißenden Rede an seine Gäste bewiesen, dass er ein ebenso gelehriger wie talentierter Schüler gewesen war.
Aus Serach heimgekehrt, war Fritz Strempfer aktiv im Jungbauernbund des Bauern- und Weingärtnerbundes und schloss sich begeistert der Jugend- und Singbewegung des Pfarrers Heiner Mohr an, dessen rechte Hand er bei der Organisation von Singtagen und -wochen war. Er zeichnete sich aber auch als Vorkämpfer des technischen Fortschritts aus, indem er im Jahre 1932 eine der ersten Schleppergenossenschaften in Südwestdeutschland gründete.
Wie die meisten Deutschen begrüßte er 1933 die nationale Erhebung, die aus der industriellen Massenarbeitslosigkeit und aus der verzweifelten Lage der Bauern im Wirtschaftsjahr 1932/33 – „erlitt die deutsche Landwirtschaft den schlechtesten Abschluss seit Menschengedenken“ (Constantin von Dietze) – herausführte. Er ging aber unter den zwiespältigen Erfahrungen der Gleichschaltung aller Einrichtungen bald auf Distanz zum NS-Parteiapparat und Reichsnährstand.
1933 wurde von dem neuen Regime eine Bauernführerschule auf der Comburg bei Schwäbisch Hall eröffnet, an der auch einige Altschüler der Evangelischen Bauernschule teilnahmen. „Sie haben dort unter Anführung von Fritz Strempfer gezeigt, dass sie das Herz auf dem rechten Fleck haben“, urteilte über ihr Auftreten lobend Pfarrer Otto Stockburger, der letzte geistliche Leiter der Evangelischen Bauernschule, im Schülerbrief zu Weihnachten 1933. Obwohl die Evangelische Bauernschule bereit war, positiv mitzuarbeiten, wurde sie gezwungen, zum 30. September 1934 zu liquidieren. Ab 1935 war es ihr auch nicht mehr erlaubt, die Verbindung unter den Altschülern durch die traditionellen Rundbriefe und Treffen aufrechtzuerhalten.
Als kirchlich geprägter und sich mutig dazu bekennender Altschüler von Serach war Fritz Strempfer untragbar für Führungsaufgaben im Reichsnährstand. Er widmete sich deshalb in den folgenden Jahren seinem Hof, bis er in die Deutsche Wehrmacht eingezogen wurde.
Gesund aus dem Krieg auf seinen Hof zurückgekehrt, nahm er die während des Dritten Reiches unterbrochene berufsständische Arbeit wieder auf. Er übernahm den Vorsitz der Kreislandjugend Crailsheim, die nach dem Kriege eine große Rolle in der Bauernschaft spielte. Denn es kam ja damals darauf an, den landwirtschaftlichen Nachwuchs sowohl fachlich für die künftigen Aufgaben zu rüsten als auch geistig zu fördern und charakterlich zu festigen. Fritz Strempfer war überzeugt, dass die unbehobene geistige Not der Meisterung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Wege stehe. Deshalb lud er nicht nur immer wieder zu Feldtagen ein und organisierte das erste Wettpflügen der nordwürttembergischen Bauernjugend in Gerabronn, sondern veranstaltete unter anderem auch in seiner Bauernstube 1948 ein Seminar über Goethes „Faust“.
Gemäß dem Leitspruch des sozial engagierten Menschenfreundes und schwäbischen Unternehmers Gustav Werner (1809–1887): „Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert" hielt auch Fritz Strempfer von Theoretisieren und Debattieren, sondern war ein Vorbild tätigen Christentums im selbstlosen Einsatz für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Sein Engagement galt besonders drei Gruppen von Notleidenden:
- den Benachteiligten aus Krieg und Vertreibung, denen er nach Kräften im eigenen Hofbereich half;
- den schwächeren, hilfsbedürftigen Jugendlichen, die in der harten Wettbewerbsgesellschaft allein nicht zurechtkamen, denen er im Rahmen der „Jugendhilfe Land“ half, und
- den Menschen in der Landwirtschaft, deren Sorgen und Nöte er aus eigener Erfahrung kannte.
Das vordringlichste Nachkriegsproblem war die menschenwürdige Unterbringung der Evakuierten, Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, die zu Hunderttausenden in die Dörfer eingewiesen worden waren. Auch im Hohenloher Land waren die unzerstörten Bauernhäuser mit Menschen überbelegt. Für den Neubau von Wohnraum fehlte es jedoch an Material. Dadurch ließ sich Fritz Strempfer jedoch nicht entmutigen, seinen Beitrag zur Lösung des Problems der Wohnungsenge zu leisten. Waren zwar weder Zement noch Backsteine aufzutreiben, so gab es doch genug Lehm, der nach alten Techniken zum Hausbau geeignet war. Noch heute zeugen zwei Lehmhäuser auf seinem Grund und Boden von dieser für ihn bezeichnenden Tat.
Die ersten Nachkriegsjahre waren „verdüstert durch die Arbeitslosigkeit und Berufsnot der Jugend“ (Helmut Schelsky). Dies ließ Fritz Strempfer nicht kalt. Auf einem Flugblatt, auf dem ein Bauernhof abgebildet ist, veröffentlichte er folgenden Aufruf:
Hier sind Lehrstellen. Hier ist sinnvolle und gesunde Tätigkeit für junge Menschen. Familien auf dem Lande wollen Euch Jungen und Mädel aufnehmen. Euch werden Bedingungen geboten, wie Ihr sie kaum günstiger findet.
Es handelte sich um das Angebot des eingetragenen Vereins „Jugendhilfe Land“ an junge Menschen, insbesondere schulentlassene Städter, ein Jahr auf dem Land zu leben und zu arbeiten. Dieses Jahr sollte der Vorbereitung auf das praktische Leben dienen und darüber hinaus die persönlichen und geistigen Beziehungen zwischen Land und Stadt fördern. Dieses Programm war so recht nach den Absichten Fritz Strempfers, den karitativen Zweck, dem Leben von arbeitslosen Jugendlichen wieder einen praktischen Sinn zu geben, mit dem sozialpädagogischen Ziel zu verbinden, bei landfremden Jugendlichen Verständnis für das Leben und Arbeiten der Bauern zu wecken.
Er baute ein Dachgeschoss für 12 Mädchen und ein Wohnheim für 20 Jungen aus. Wie in Weckelweiler so gründete er noch in 15 weiteren Orten Jugendhilfe-Land-Heime. Dank seiner Initiative lebt der Gedanke der Jugendhilfe Land in Form des sozialtherapeutischen Jugendheimes des Heilpädagogischen Jugendwerkes in Weckelweiler fort. Dabei handelt es sich um eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft von über 300 betreuten Behinderten und 200 Mitarbeitern in Wohneinrichtungen, Werkstätten, Gärtnereien und landwirtschaftlichen Betrieben.
Zeichnete ihn bereits sein Engagement beim Bau von Flüchtlingswohnungen und im Rahmen der Jugendhilfe Land als eine Persönlichkeit aus, die sich durch nichts abschrecken ließ, Menschen in Notlagen zu helfen, so wuchs Fritz Strempfer durch die Gründung der Bauernschule Hohenlohe, einer ländlichen Heimvolkshochschule, weit über seine bäuerlichen Berufskollegen hinaus. Er selbst hat den Entschluss zu diesem ungewöhnlichen Unternehmen in einem Brief an den Verband der Ländlichen Heimvolkshochschulen mit den Worten erklärt: „Anstoß war vor allem die Dankbarkeit, dass ich aus der Kriegsgefangenschaft gesund zurückgekehrt bin, die Familie, den Hof und die Heimat unversehrt angetroffen habe, und natürlich auch, dass ich Altschüler der Seracher Bauernschule war.“ Was ihm einst selbst zum Schlüsselerlebnis geworden war, wollte er auch seinen jungen Berufskollegen vermitteln.
Er hatte, wie schon erwähnt, an sich selbst erfahren, wie stark eine solche „Erlebnisschule“ junge Menschen prägen und für die Probleme ihres Berufes sowie ihrer Zeit sensibilisieren kann. Und es schwebte ihm vor, das Vermächtnis seiner evangelischen Bauernschule fortzusetzen und den durch die Machtübernahme der NSDAP abgerissenen Faden evangelischer Bauernschularbeit neu zu knüpfen. Er lag mit dieser Absicht im Trend der Zeit. Dekan Theodor Gerhardt hatte bereits im Dezember 1946 an die Bauerntagung in Bad Boll einen vierzehntägigen Bauernschulkurs angehängt. An die Wiedereröffnung der 1934 geschlossenen Bauernschule in Lorch war jedoch nicht zu denken, denn ihr ehemaliger Leiter Rudolf Schaeffer befand sich noch in Kriegsgefangenschaft und die Räumlichkeiten in Lorch waren dem Evangelischen Hilfswerk zur Unterbringung von älteren Heimatvertriebenen und Flüchtlingen zur Verfügung gestellt worden. In kirchlichen Kreisen war man sich einig, dass man zur Gründung einer Schule noch nicht aktionsfähig sei.
Fritz Strempfer teilte diese zögerliche Haltung jedoch nicht. Herausgewachsen aus seiner Landjugendarbeit im Kreise Crailsheim wurden allmählich aus Eintags- und Wochenendtagungen zunächst Kurse von einwöchiger Dauer. Im Jahre 1949 lud er im Auftrag des Bauernverbandes Burschen und Mädels zu einem Bauernschulkurs Hohenlohe vom 18. November bis 19. Dezember nach Kirchberg an der Jagst, dem ehemaligen Residenzstädtchen unweit von Weckelweiler, ein; im Januar 1950 folgte schon ein zweiter und im Spätherbst 1950 ein dritter Kurs. Untergebracht war die Schule vorübergehend in den Räumen der Jugendecke im Kirchberger Schloss. Unter großen persönlichen Opfern hat Fritz Strempfer in den Folgejahren einen Teil seiner Wirtschaftsgebäude umgebaut, um seiner Bauernschule ein eigenes Heim bieten zu können. Im Jahre 1960 konnten in Weckelweiler die eigenen Räumlichkeiten bezogen werden mit einer Kapazität von 50 Betten, zwei Lehrsälen und einem Arbeitsraum. Das Jahresprogramm umfasste einen Bauernschulvollkurs, eine Altschülerfreizeit, 30 Hof- und Dorfabende, sechs Wochenendfreizeiten und eine Lehr- und Studienfahrt.
Fritz Strempfer verstand seine Bauernschularbeit immer als Fortsetzung der Seracher Tradition. Deshalb war es auch selbstverständlich, dass das 50-jährige Jubiläum der Evangelischen Bauernschule in Württemberg im Jahre 1975 bei ihm gefeiert wurde. Aber offiziell war es ihm verwehrt, den Namen Evangelische Bauernschule zu benutzen. Sein Antrag, unter dem Dach des Evangelischen Bauernwerkes eine evangelische Bauernschule zu betreiben, wurde ihm trotz namhafter Fürsprecher abgelehnt. Die Bezeichnung „Evangelische Bauernschule“ wurde ausdrücklich der ländlichen Heimvolkshochschule in Hohenbuch bei Waldenburg vorbehalten; ja, schlimmer noch, seine Schule wurde aus der Liste der fünf vom Evangelischen Bauernwerk geförderten Heimvolkshochschulen gestrichen und damit aus den Beratungen, Mittelzuweisungen und Mitteilungen des Evangelischen Bauernwerkes ausgeschlossen – mit der fadenscheinigen Begründung, es gäbe „begründete Bedenken gegen seine evangelische Grundhaltung“. Er hatte nachdrücklich die Unterstützung durch die evangelische Kirche gesucht, verbittert aber dann auch Fühlung zu außerkirchlichen Kreisen aufgenommen, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Trotz aller Rückschläge und Schwierigkeiten hielt er an seinem Ziel fest, seinen Teil zur Lösung der Frage beizutragen: Wie meistern wir das Bauernschicksal in Gegenwart und Zukunft?
Denn was ihn außer seiner Tatkraft auszeichnete, war sein geradezu prophetischer Weitblick. Die Zukunft der Bauern und darüber hinaus die Zukunft der modernen Industriegesellschaft, ja schließlich das Überleben der Menschheit, hat seine Gedanken bis in die letzten Tage seines Lebens hinein beschäftigt. Unfähig zu resignieren, hat er unablässig darüber nachgedacht, wie man dem drohenden Untergang noch rechtzeitig begegnen könnte. Sein Grundanliegen war die Sorge um die Bewahrung der Bodenfruchtbarkeit, als deren Voraussetzung er eine nachhaltige Landbewirtschaftung und den naturgemäßen Landbau sah. Sein wichtigstes Medium, seine Gedanken und Erfahrungen weiterzugeben, war seine Schule. Sie sollte Ausgangspunkt für ein neues Denken von Aufgeschlossenheit und Verantwortungsbewusstsein im ländlichen Raum sein“ (Johannes Zielosko).
Er hatte auf den eigenen Feldern das Nachlassen der Fruchtbarkeit wahrgenommen. Als seine Futtererbsen einmal gar nicht mehr recht gedeihen wollten, hatte er sich an den Diplomlandwirt Feuerlein vom staatlichen Bodeninstitut in Braunschweig-Völkenrode gewandt, der ihm vorschlug, es einmal mit den bodenverbessernden Methoden der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise zu probieren. Diese Anregung wurde unterstützt durch einen Herrn von Heynitz, einem aus Ostelbien vertriebenen Gutsbesitzer, der auf dem Strempferhof aufgenommen worden war und positive Erfahrungen mit den biologisch-dynamischen Anbaumethoden mitbrachte. Damit begann eine Entwicklung, in deren Verlauf nicht nur die biologisch-dynamische Methode in Weckelweiler Eingang fand, sondern auch die Anthroposophische Gesellschaft in Weckelweiler ein geistiges Zentrum aufbaute. Von Weckelweiler ausgehend erreichte die Häufung alternativ wirtschaftender Bauernbetriebe schließlich eine Dichte, die sogar den Dauerbetrieb einer regionalen Molkerei in Schrozberg zur Herstellung biologisch erzeugter Milchprodukte ermöglichte.
Fritz Strempfer hat sich jedoch nie einseitig und ausschließlich auf die Lehren Rudolf Steiners festgelegt, sondern auch anderen Methoden alternativer Landwirtschaft in seiner Schule Raum gegeben, zum Beispiel dem organisch-biologischen Landbau nach Dr. Müller (Schweiz).
Im naturgemäßen Landbau sah er Überlebenschancen für die Bauernbetriebe. Und darum ging es ihm auch in seiner Bildungsarbeit. Seine Schule, die ausgegangen war vom Ideal einer Lebensschule nach dänischem Vorbild, entwickelte sich mehr und mehr zu einer „Überlebensschule“ im Sinne einer Schule für naturgemäßen Landbau, zu einer Schule, die bewusst auf die Umstellung der Landwirtschaft auf nachhaltige Wirtschaftsweise und die Dauerfruchtbarkeit hinarbeitete und sich letztlich als gemeinnütziges Beratungsinstitut mit vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern und alternativen Agrarwissenschaftlern für eine heilende Zukunft der Erde verstand. Im Laufe ihres Bestehens hat die Bauernschule Hohenlohe etwa 300 bis 400 Bauernhöfe auf die biologisch-dynamische und andere naturgemäße Wirtschaftsmethoden umgestellt.
In gewisser Weise wurde Fritz Strempfer dabei auch zu einem Pionier der Landtechnik. Der erste deutsche Feldhäcksler wurde nach dem Kriege auf seinen Vorschlag hin auf seinem Bauernschulhof entwickelt mit dem Ziel, die Bauernfamilie von schwerer Muskelarbeit auf Feld und Hof zu entlasten und mechanisierbare Arbeitsketten zu schaffen. Seine Schule bot ab 1967 nicht nur einführende Lehrgänge zum Beschreiten des Zweiten Bildungsweges an, sondern in vermehrtem Maße Kurse zur handwerklichen Fortbildung. Nach den Vorstellungen Fritz Strempfers sollte seine Schule auch dazu beitragen, die Abhängigkeit der Bauern von den Technikern zu verringern, indem die Schüler bestimmte Techniken erlernten. Der Fächerkanon seiner Bauernschule wurde deshalb erweitert durch praktische Unterweisung in Schmieden, Schweißen, Feilen, Bohren, Elektro- und Wasserleitungstechniken, Bauen mit Holz und modernen Baustoffen sowie Selbstreparieren von Maschinen und Geräten.
Nach Fritz Strempfers Auffassung gehört zum naturgemäßen Landbau auch eine positive Energiebilanz, das heißt die Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten, aus nachwachsenden Rohstoffen und aus Abfällen betriebseigene Energie zu gewinnen. Auf der Suche nach geeigneten Verfahren besichtigte er auch die Biogasanlage der Familie Reusch auf der Schwäbischen Alb. Er berichtete darüber: „Diese Anlage hat mir das Vertrauen gegeben, dass diese Technik auch in einem mittelbäuerlichen Betrieb Sinn macht, und deshalb habe ich gedacht, diese Technik müssen wir hereinnehmen als Stoff in den Lehrplan unserer Bauernschule.“ Seit 1960 förderte und propagierte er vor allem durch seine Schule die Biogastechnik als integralen Bestandteil naturgemäßer Landwirtschaft. Aus diesen Aktivitäten entstand in enger Zusammenarbeit mit der Biogasgruppe im Bundschuh, der Fachhochschule Triesdorf, dem Labor für anaerobe Verfahren der Fachhochschule Gießen-Friedberg und anderen Instituten das Biogas-Zentrum bzw. das Biogas-Info-Büro Weckelweiler. Die seit 1991 Anfang Sommer stattfindenden Biogastagungen in Weckelweiler haben sich zu einem internationalen Mekka für Biogasexperten gemausert“ (Hohenloher Tagblatt vom 16.1.1998). Wenn heute Hohenlohe bundesweit die höchste Dichte an Biogasanlagen aufweist, dann ist dafür der Fachverband Biogastechnik der Bauernschule in Weckelweiler verantwortlich.
Außerdem leistete seine Bauernschule Hohenlohe in Seminaren, Vorträgen und Ausstellungen bei Tausenden von Besuchern wertvolle Aufklärungsarbeit über Gesundheit, richtige Ernährung und sinnvollen Lebensstil sowie Überzeugungsarbeit über die Notwendigkeit, sich energischer für die Erhaltung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit und für die Schaffung ungefährlicher Energiekreisläufe einzusetzen.
Fritz Strempfers Wirken war im negativen wie im positiven Wortsinn anstößig. Erst relativ spät haben seine Leistungen die verdiente Anerkennung öffentlich gefunden. Im Jahre 1982 bekam er die Ehrenmedaille des Deutschen Bundes zur Rettung des Lebens, 1993 den Raoul-France-Preis für Pionierarbeit im biologischen Landbau. Zu seinem 90. Geburtstag wurde ihm das Bundesverdienstkreuz überreicht. Und an seinem 96. Geburtstag wurde er mit der Professor-Günther-Schwab-Medaille für sein jahrzehntelanges Engagement für den ökologischen Landbau ausgezeichnet.
Was ihn wirklich auszeichnete, war der Mut, konventionelle Methoden zu verlassen und neue Wege zu gehen, scheinbar Unmögliches in Angriff zu nehmen, angeblichen Sachzwängen und unaufhaltsamen Entwicklungen entgegenzutreten, unbequeme Wahrheiten öffentlich auszusprechen, kurzum das als notwendig Erkannte zu tun.
Fritz Strempfer hat einmal seine Biografin Suse Schneider-Kleinheinz mit der Bemerkung zurechtgewiesen, seine Lebensbeschreibung sei nicht wichtig, wichtiger seien seine Gedanken, die er in vielen Ansprachen und in ungezählten Leserbriefen veröffentlicht und in die Tat umgesetzt hat. Wichtig war ihm vor allem die Erziehung zu einem verantwortungsvollen Denken, das heißt zum Umdenken. Viele seiner Gedanken haben bereits reiche Früchte getragen. Aus dem kleinen, abgelegenen Weckelweiler ist inzwischen ein für die moderne Gesellschaft notwendiges Dienstleistungszentrum geworden. Technische Neuerungen haben sich von dort aus weit verbreitet. Das Lebenswerk Fritz Strempfers hat durch seinen Tod ein Ende gefunden. Dennoch wäre es zu früh, eine abschließende Bilanz zu ziehen. Denn kennzeichnend für die großen und vorbildlichen Landwirte ist nicht nur, dass sie oft gegen Widerstände und unter Schwierigkeiten sich haben durchsetzen müssen (Franz/Haushofer), sondern auch, dass ihre Gedanken über ihre Lebenszeit hinaus weiterwirken.

